Alltag und Wahnsinn, Realität und Traum – in »Yoshios Jugend« werden zahlreiche Kurzgeschichten von Yoshiharu Tsuge geboten. Wir haben uns den Einzelband mit den unterschiedlichen Erzählungen genauer angesehen und verraten in dieser Review, wie unser Eindruck zur Publikation von Reprodukt ausfällt.
Inhalt
Die Geschichten in »Yoshios Jugend« bewegen sich zwischen Traum und Realität, zwischen Alltag und Wahnsinn. Yoshiharu Tsuge blickt zurück auf die Härten der Nachkriegszeit, die Unschuld seiner Anfänge als Mangaka und auf die Ernüchterung, die folgte.
Yoshiharu Tsuge, der sich in den 1970ern in einer tiefen Lebenskrise befand und mit Selbstmordgedanken trug, nutzt hier die Logik des Traums, um seine tiefe Zerissenheit und widersprüchlichen Fantasien von häuslicher Gewalt und dem Bedürfnis nach einem harmonischen Familienleben in Bilder zu fassen.
Aufmachung
Reprodukt veröffentlicht »Yoshios Jugend« im Format 13 × 19 cm als Flexicover – kohärent zu »Rote Blüten« und »Der nutzlose Mann«. Der Einzelband beinhaltet auf 416 Seiten 15 Kurzgeschichten. Die japanischen SFX hat der Verlag komplett retuschiert und getypesettet.
In dem Band sind ein Vorwort von Toshiaki Kobayashi (japanischer Philosoph) und ein Nachwort von Mitsuhiro Asakawa (ehemaliger »Garo«-Redakteur; Manga-Forscher, spezialisiert auf Gekiga) vorzufinden. Der Manga wurde aus dem Japanischen von Nora Bierich (»Der nutzlose Mann«, »Shigeru Mizuki«-Trilogie) übersetzt.
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Fazit
Nach der Publikation von »Rote Blüten« und »Der nutzlose Mann« erweitert der in Berlin ansässige Verlag Reprodukt mit »Yoshios Jugend« sein Portfolio um ein weiteres Werk aus der Feder von Yoshiharu Tsuge. In diesem Einzelband werden 15 Kurzgeschichten geboten, die Tsuge zwischen den Jahren 1972 und 1987 zeichnete beziehungsweise veröffentlichte. Auch die Kurzgeschichte »Die Trennung«, welche im September 1987 erschien, befindet sich in dieser Sammlung und stellt zum gegenwärtigen Zeitpunkt die letzte von Tsuge gezeichnete Geschichte dar.
Wer bereits mit Geschichten von Tsuge in Berührung kam, weiß, dass seine Inhalte beim ersten Lesen nicht immer leicht zu verstehen sind. Bei einigen Geschichten ist dies hier gleichermaßen der Fall. Das Buch wurde von Reprodukt eingeschweißt. Auf der Folie befindet sich folgender Hinweis: »Empfohlen ab 18 Jahren. Enthält sexualisierte Gewaltfantasien.« Die Inhaltswarnung seitens Reprodukt ist wichtig, da bereits das erste Kapitel diese Inhalte aufweist und einen im ersten Moment verwirrt dastehen lässt.

Yoshiharu Tsuge vermischt in seinen Kurzgeschichten die Realität mit Irrealität, er schmückt seine Geschichten aus. In einigen Geschichten erschafft er eine surrealistische Welt. Tsuge leidet an einer existenziellen Angst, bei ihm wird die Angstneurose diagnostiziert. Seine Kurzgeschichten beinhalten Themen wie Selbstmordgedanken, Angst, Einsamkeit und Erotik. Die Stimmung innerhalb der Panels wechseln. Der Tenor ist weitestgehend bedrückend.
Bei einigen Kurzgeschichten handelt es sich um autobiografische Erzählungen, die von Tsuge je nachdem noch ausgeschmückt werden. In anderen Kurzgeschichten orientiert sich der Schöpfer an seinen Träumen und erzählt daraus eine eigene Geschichte. In dem Nachwort von Mitsuhiro Asakawa werden die einzelnen Geschichten aufgegriffen und erläutert. Auch Aussagen von Tsuge werden in diesem Zusammenhang geboten, wodurch der Leser ein tieferes Verständnis zur Entstehung der Geschichten und der Rahmenbedingungen zu der Zeit erhält.
Tsuge greift in seinen Erzählungen alltägliche Situationen auf. Die Armut aus der damaligen Zeit wird aufgezeigt. Die Gewalt innerhalb der Familie und die raue Erotik lässt der Schöpfer mit einfließen. Nicht jede Geschichte oder jedes Ereignis lässt sich auf Anhieb verstehen. Die Auseinandersetzung mit den Geschichten in Kombination mit den hilfreichen Hintergrundinformationen aus dem Nachwort sorgen für ein intensiveres Leseerlebnis. »Yoshios Jugend« gewährt weitere Einblicke in Tsuges Wesen und ist aus meiner Sicht eine erstaunliche Lektüre.
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