Im August 2022 brachte Carlsen Manga das Debütwerk »Mortalis« des Ausnahmekünstlers Dominik Jell auf den Markt. Der ab achtzehn Jahren empfohlene Horror-Einzelband bietet zwei anregende Kurzgeschichten. Einen ersten Blick gewährt euch die Leseprobe. Wir haben uns einige spannende Fragen überlegt und diese Dominik Jell sowie Nina Kroesing und Philipp Nakata von der Carlsen-Redaktion gestellt.
Wir wünschen euch viel Spaß beim Lesen des Interviews.
Interview über »Mortalis«
Hallo Dominik, Nina und Philipp. Danke, dass ihr euch Zeit für das Interview mit uns nehmt! Möchtet ihr euch kurz vorstellen?
Dominik: Ja gerne! Meinen Namen kennt ihr jetzt ja schon. Bin 28 Jahre jung oder alt. Je nachdem, wann man die Frage stellt. Und es gibt nichts Schöneres als Zeichnen für mich.
Nina und Philipp: Wir sind beide Teil der Carlsen-Manga!-Redaktion und haben damit den Jackpot gezogen. Lesen und kreativ sein ist unser Beruf.
Die erste Frage geht direkt an Dominik. Wie kam es dazu, dass du unbedingt einen Manga zeichnen und mit anderen teilen wolltest? Wann und wie fing es bei dir mit dem Zeichnen an?
Also gezeichnet habe ich immer schon gerne. So wirklich aktiv mit dem Kauf meines ersten Manga (so mit sieben ungefähr). Ab dann war eigentlich der Traum fest in meinem Kopf verankert, irgendwann mal einen (oder mehr) eigenen Manga in die Regale zu stellen.
Zeichnest du lieber analog oder digital? Was fällt dir einfacher und was wiederum schwerer beim Zeichnen? Charaktere, Landschaften, detaillierte Ansichten etc?
Ich zeichne einfach gerne. Digital macht das Leben natürlich manchmal viel einfacher und bietet viele Vorteile. Das Analoge hat aber etwas Meditatives. Es ist einfach schön, das »Schraten« des Bleistifts auf dem Papier zu hören und es fühlt sich irgendwie mehr nach Handwerk an. Storyboards und die ersten Skizzen mache ich aber ausschließlich noch analog.
Gibt es Bücher, Filme, Anime, Manga, Künstler, die dich zu deinen Geschichten und Charakteren inspirierten?
Inspiration findet man überall. Für »Mortalis« ist natürlich True Crime eine große Inspiration gewesen. Grundsätzlich versuche ich aber, mich in der Storyentwicklung von anderen Manga, Anime oder Comics zu distanzieren, um etwas Eigenes zu kreieren.

Wie lange hast du an deinem Manga gearbeitet? Wie kamst du auf den Titel und die Covergestaltung? Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem jungen Protagonisten auf dem Cover zu deiner eigenen Person oder entstand die Ähnlichkeit eher zufällig?
Die Storys haben in der Entwicklung etwas länger gedauert. Bzw. mussten wir uns erstmal durch einen Haufen Ideen durcharbeiten (Nina und Philipp hauptsächlich, haha). Mir gefallen sowohl einfache Titel als auch Cover. Deshalb war es mir wichtig, den Titel so zu gestalten, dass dieser leicht zu merken ist. Ich finde lange Titel immer etwas sperrig. Das Cover sollte auch so sein und schon mal einen Blick auf den Inhalt geben.
Zum Protagonisten: Natürlich! Das hat zwei offensichtliche Gründe: Für Horror als Genre, in diesem Fall »Mortalis«, habe ich meinen Zeichenstil angepasst. Ich habe alles noch etwas realistischer gemacht als eh schon. Da liege ich natürlich als Referenz nahe. Was kenne ich schon besser als mich selbst …? (nun gut – meistens zumindest).
Du bist selbstständiger Tätowierer. Haben dir deine künstlerischen Fähigkeiten bei der Umsetzung deines Manga-Projekts geholfen? Was war einfach und was wiederum schwieriger (als gedacht)?
Ehrlich gesagt gibt es ganz wenig Überschneidungen der beiden Bereiche. Was aber positiv ist. So konnte ich mich jedes Mal wieder auf die jeweils anderen Aufgabenstellungen freuen. Was mir definitiv aber geholfen hat, ist wohl der Umgang mit Deadlines bzw. »Termindruck«. Beim Tätowieren ist es meine Pflicht, am Tag des Termins perfekt vorbereitet zu sein. Dafür muss man planen und rechtzeitig mit dem Entwurf starten. Bei »Mortalis« ist das natürlich ähnlich. Wenn ich zu spät abliefere, bringt das die restlichen Beteiligten auch in Rückstau. Das wäre ein schlechter Start und Eindruck beim Debüt. 😉
Du gibst an, dass dich dein Interesse an Japan zum Tätowieren brachte – wie wurde das geweckt und besitzt du selbst schon Tätowierungen von Manga-Figuren oder Ähnliches? Hast du vielleicht schon eigene Charaktere tätowiert?
Mein Interesse an japanischen Tätowierungen hat sich komplett losgelöst von Manga entwickelt. Ich fand sie einfach immer schon am ästhetischsten: Die kräftigen, aber nicht kitschigen Farben, hoher Kontrast, gutes Spiel mit dem Körper und Motiven, welche klar zu erkennen und bedeutungsträchtig sind – ohne offensichtlich zu zeigen, wofür sie stehen. Das kombiniert für mich einfach alles, was an einer Tätowierung (in meinen Augen) wichtig ist. Anime- oder Mangafiguren mache ich natürlich, sehe ich aber nicht als klassische japanische Tätowierung. Vielmehr ist das eine popkulturelle Sache. 🙂 Ich selbst habe fast ausschließlich »traditionelle« japanische Motive tätowiert. Eine Mangafigur hat sich trotzdem eingeschlichen… Welche bleibt aber ein Geheimnis, hehe … 😉
Heutzutage veröffentlichen viele Künstler ihre Werke über Online-Plattformen wie Tapas oder Webtoon. Dort erhält man direkt sowohl Lob als auch Kritik von den Lesern. Wo holst du dir Rückmeldungen zu deinem Werk ein? Warum hast du dich ausgerechnet für eine physische Veröffentlichung bei einem Verlag entschieden? Was sprach gegen die Publikation auf einer Online-Plattform?
Ich stehe einfach auf Bücher (und natürlich Manga). Der Wunsch, einen Manga zu veröffentlichen, hat sich schon so früh gebildet, dass es in meinem Kopf gar keine andere Möglichkeit gab (ich hatte mit sieben noch keinen PC). Wie gesagt: Mein Wunsch war es mal einen Manga in die Regale zu stellen – ich höre mich an wie ein Boomer ohne Internetzugang … haha. Auch finde ich es furchtbar, mich selbst zu vermarkten. Dafür habe ich keine Geduld, möchte mir ehrlich gesagt auch die Zeit nicht wirklich dafür nehmen und stelle mich ungern in den Mittelpunkt. Das Feedback zu »Mortalis« kam natürlich, durch die Verlagsveröffentlichung, einige Zeit nach Fertigstellung, war aber so viel mehr und besser als erwartet. Ich bin immer noch wahnsinnig geflasht und überwältigt, wie gut »Mortalis« und auch ich selbst von den Leser*innen aufgenommen wurden. Danke Danke Danke Danke!

Stellen wir passend dazu eine Frage an die Carlsen-Redaktion. Nina und Philipp, warum habt ihr euch für die Veröffentlichung von »Mortalis« entschieden? Wie gelang es Dominik euch mit seiner Idee zu überzeugen?
Als Dominik sich damals beworben hat, waren wir ziemlich weit weg von einer Horrorstory wie »Mortalis«. Die erste Story, die er uns geschickt hat, war ein Isekai und hat uns nicht überzeugt. Die Erzählweise war noch nicht ausgereift, aber wir haben großes Potenzial in Dominiks Zeichnungen gesehen. Nach einigen langen Mails und Telefonaten sind wir von Isekai, Drama und Romance in blutigere Gefilde gewandert und haben uns dann einige Geschichten von Dominik präsentieren lassen. »Mortalis« ist ein Produkt vieler Gespräche, Ideen und verworfener – aber im Grundgedanken interessanter – Manuskripte. Dominiks Talent ist es, sehr realistisch zeichnen zu können, daher hat sich Horror, der vom Detail lebt, einfach angeboten. Letztendlich waren wir mit den beiden Geschichten, die man in »Mortalis« erleben kann, zufrieden und haben uns dazu entschieden, diesen schönen Band zu veröffentlichen.
Bei »Mortalis« werden den Lesern zwei Kurzgeschichten geboten. Wie kam es dazu, dass du keine längere zusammenhängende Geschichte entworfen hast? Wie bist du auf die beiden Geschichten gekommen? Was sprach aus Sicht von Carlsen gegen eine längere Geschichte? Liegen die Stärken von Dominik bei den Kurzgeschichten oder kommen kürzere Horror-Geschichten besser bei den Lesern an?
Dominik: Ideen waren zu Hauf da. »Mortalis« ist einfach das Ergebnis der beiden Besten mit Input aus der Redaktion, um das Ganze noch besser werden zu lassen. 🙂 Persönlich bin ich kein großer Fan von Kurzgeschichten, da diese nur immer sehr limitierte Einblicke zulassen. Für das Genre passt das aber ganz gut. So hat es mir auch die Möglichkeit gegeben, mit den Zeichnungen zu experimentieren, meine persönlichen Grenzen zu testen und natürlich auch das Risiko minimiert. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch nie für eine Veröffentlichung etwas Längeres geschrieben. Das braucht Training und das war auch gut so!
Nina und Philipp: Wie Dominik schon sagt, waren die Kurzgeschichten eine optimale Gelegenheit, um verschiedene Settings auszuprobieren und den ersten Schritt ins Manga-Business zu wagen. In »Mortalis« haben wir ja zwei Geschichten, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Die eine Story spielt in der Gegenwart und handelt von einem Content Creator, während die zweite Geschichte die Leser*innen ins Mittelalter versetzt. So konnte sich Dominik zeichnerisch austoben und sein vielseitiges und ausdrucksstarkes Zeichentalent unter Beweis stellen.
Wie lange dauerte es von der Einreichung des Manuskripts von Dominik bis zum ersten Probeexemplar in der Hand? Welche Schritte durchläuft eine Eigenproduktion bei euch im Verlagshaus? Wie viele Personen sind an einem Werk in der Regel beteiligt?
Nina und Philipp: Dominik hat sich im April 2019 bei uns beworben und richtig konkret wurde es dann Ende 2020. Bis wir ein Manuskript geprüft, uns mit dem oder der Mangaka in Verbindung gesetzt und schon einmal grob über die Story und die Charaktere gesprochen haben, kann es tatsächlich etwas dauern, da wir uns bei Carlsen Manga! immer mit Vollblut auf unsere Projekte konzentrieren. Das gilt vor allem für Eigenproduktionen.
Wir haben dann über mehrere Monate hinweg die beiden Kurzgeschichten ausgearbeitet. Dominik hat immer wieder Storyboards geschickt, die wir beide uns angeschaut haben und dann gab es viele Gespräche über Teams, in denen wir uns gegenseitig die Bälle zugespielt haben. Letzten Endes stand dann das Grundgerüst und Dominik hat mit dem Zeichnen begonnen. Zu den einzelnen Zeichnungen gab es dann immer wieder Feedback von uns und Dominik hat in Lichtgeschwindigkeit Überarbeitungen ausgeführt. Schließlich wurden die einzelnen Seiten dann vom zuständigen Hersteller Björn zusammengesetzt und gelettert. Konkret bedeutet das, dass der Text, der sich zuvor in einer Word-Datei befunden hatte, nun in der gewählten Schriftart in die entsprechenden Blasen gesetzt wurde. Als das erledigt war, wurden wir beide wieder aktiv und lasen uns alles am Stück durch, kürzten, korrigierten usw.
Im Juni 2022 dann der große Moment: Der Manga ging an die Druckerei! Und unsere Arbeit war damit erledigt. Aber nach Redaktion und Herstellung spielen vor allem noch drei andere Abteilungen eine wichtige Rolle: Marketing, Presse und Vertrieb. Die sorgen nämlich dafür, dass der Manga seit August dieses Jahres in allen gut sortierten Buchhandlungen steht und möglichst viele Leute darauf aufmerksam werden. Durch Pressebesprechungen, Instagram-Posts und Gewinnspiele rührt unser Team bei Carlsen Manga! ordentlich die Werbetrommel.
Was ist euch an der Arbeit an einer deutschen Eigenproduktion besonders wichtig? Wie werden deutsche Künstler unterstützt?
Die enge Zusammenarbeit mit den Künstler*innen natürlich. Das ist in unserem normalen Lizenzalltag nämlich nicht der Fall. Wir versuchen die deutsche Mangaszene auszubauen und möchten durch eine schöne Ausstattung punkten, um uns von der Masse abzuheben. Als Verlag gibt man den Künstler*innen die Möglichkeit, in den Buchhandlungen zu landen und unterstützt sie natürlich auch durch Offline- und Online-Marketing. Im Großen und Ganzen unterstützen die fantastischen Mangaka aber uns, denn ohne sie hätten wir definitiv weniger Spaß an unserer Arbeit. Wir sind auf die großen Talente angewiesen und freuen uns, wenn sie uns die Chance geben, ihnen beim Sprung in das riesige Mangabecken unter die Arme greifen zu dürfen.

Was macht den Horror-Manga in euren Augen so besonders? Was hebt Dominik von anderen Künstlern ab?
»Mortalis« vereint zwei einzigartige Settings. Wir haben einerseits das japanische Hinterland gepaart mit der aktuellen Content-Creator-Thematik und andererseits das mittelalterliche Leben in einer süddeutschen Stadt. Und was Dominik von anderen Künstler*innen abhebt? Definitiv die Liebe zum Detail! Wer genau hinschaut, entdeckt in der ersten Kurzgeschichte sogar ein kleines Easter Egg, das auf die zweite Geschichte anspielt.
Der Horror-Einzelband »Mortalis« ist seit dem 2. August 2022 im Handel erhältlich. Wie ist die Resonanz der Leser? Seid ihr mit den bisherigen Verkaufszahlen zufrieden?
Ja, das sind wir. Eigenproduktionen haben es im Vergleich zu japanischen Manga ja oft schwerer, weil Fans sie nicht im Vorfeld schon entdecken und sich bei den Verlagen wünschen konnten. Die Zahl der Manga-Neuerscheinungen hat sich, verglichen mit früheren Zeiten, ja auch deutlich erhöht. »Mortalis« wird bisher aber gut angenommen und auch regelmäßig nachbestellt. Es gibt inzwischen auch ein wachsendes Publikum für ernstere und düstere Geschichten, auch für Horror-Stoffe. Wer also Serien wie »I am a Hero«, die »Lovecraft«-Adaptionen von Gou Tanabe oder Junji Itōs Werke mag, greift sicher auch gerne zu »Mortalis«.
Möchtest du zukünftig eher bei Kurzgeschichten bleiben oder kannst du dir auch vorstellen eine längere Reihe zu zeichnen? Wieder in Richtung Horror oder gibt es andere Genres, die du gerne ausprobieren möchtest?
Dominik: Nein. Definitiv nicht. Ich merke, dass ich mich sowohl zeichnerisch als auch vom Storytelling sehr weiterentwickelt habe. Das will und soll jetzt auch unter Beweis gestellt werden. Welches Genre es als Nächstes wird, das halte ich noch geheim – da dürfen alle Leser*innen gespannt bleiben – es wird aber super, hehe … 😉
Gibt es Pläne für ein neues Werk beziehungsweise arbeitest du eventuell schon daran? Welche Geschichte möchtest du unbedingt noch erzählen? Welchen Charakteren möchtest du noch einen Schauplatz geben?
Ich arbeite eigentlich bereits seit dem Tag, an dem »Mortalis« für mich abgeschlossen war, an einer neuen Geschichte. Die Basis dazu schwirrt mir aber schon seit Jahren im Kopf rum und wurde auch schon in einigen Formen mal angefangen und wieder verworfen. Wie gesagt: Jetzt bin ich aber erfahrener und werde die Idee gut umsetzen können. Mehr will ich derzeit noch nicht verraten. 😉
Was war das für ein Gefühl, als du zum ersten Mal »Mortalis« in den Händen gehalten hast und in Buchhandlungen zwischen anderen Manga-Werken gesehen hast?
Unbeschreiblich und aufregend. So viele Emotionen … haha.
Möchtet ihr zum Abschluss des Interviews den Lesern noch etwas mitteilen?
Dominik: Einfach Danke, ehrlich gesagt. Danke an alle Leser*innen, die sich »Mortalis« gekauft haben. Danke an Carlsen für die Chance und Zusammenarbeit und natürlich auch Danke für das ganze Interesse.
Nina und Philipp: Wer es blutig mag, der sollte bei »Mortalis« auf jeden Fall zuschlagen! Und merkt euch den Namen Dominik Jell gut! Er wird euch in Zukunft bestimmt noch häufiger begegnen.
Vielen Dank für das interessante Gespräch!


Dominik Jell
Kurzvita des Mangaka
Dominik Jell, geboren 1994, begann bereits im Alter von sieben Jahren, seinen künstlerischen Ambitionen nachzugehen. Nach abgeschlossener Ausbildung, Fachabitur und einigen Semestern des Studiums machte er 2015 seine Leidenschaft als Tätowierer zum Beruf. In seinem 2020 eröffneten Tätowierstudio liegt sein Fokus auf japanischer Tätowierkunst. Parallel zeichnet er über die Jahre Manga, immer mit dem Ziel vor Augen, seine Werke in einem Verlag zu veröffentlichen. Dominik Jell lebt in seiner Heimatstadt Landshut. Neben seiner Zeichnerei begeistert er sich vor allem für Basketball und Tiere.
Das Debütwerk von Dominik könnt ihr unter anderem direkt bei Amazon, Thalia oder Carlsen Manga bestellen.
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