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    Chinabooks Interviews Manhua in Deutschland

    Interview mit Übersetzer Johannes Fiederling

    Von N. N.19. Juli 2024
    © privat

    Der kleine Schweizer Indie-Verlag Chinabooks hat es sich zur Aufgabe gemacht, der großartigen chinesischen und taiwanischen Comicszene auch im Westen eine wohl verdiente Bühne zu bieten und Manhua-Werke den deutschsprachigen Lesenden näherzubringen.

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    Dabei wurde insbesondere Xu Xianzhes Erstlingswerk »Biaoren – Die Klingen der Wächter« zu einem Herzensprojekt und so widmete sich Elisabeth Wolf, Gründerin des Verlags, zu Anfang noch selbst der Übersetzung des »chinesischen Westerns«.

    Im letzten Jahr gab sie nach den ersten sechs Bänden das Zepter an den Dolmetscher und freien Literaturübersetzer Johannes Fiederling weiter. Seither sind bereits einige Bände in seiner Übersetzung erschienen. In Kooperation mit Chinabooks durften wir Johannes Fiederling ein paar spannende Fragen rund um seine Arbeit stellen. Wir wünschen euch viel Spaß beim Lesen des anregenden Interviews!

    Interview mit Johannes Fiederling

    © privat

    
Hallo Johannes. Vielen Dank, dass du dir Zeit für dieses Interview genommen hast. Einige unserer Leserinnen und Leser werden dich noch nicht kennen, möchtest du dich kurz vorstellen?  

    Johannes: Gerne. Und danke für die tollen Fragen! Abgesehen von den Infos unten gibt es eigentlich nur zu ergänzen, dass ich im Ruhrgebiet aufgewachsen bin und noch Zeiten erlebt habe, in denen es bis auf ein paar Sondereditionen noch so gut wie keine Manga auf Deutsch gab.

    Ich freue mich daher umso mehr, dass heute sogar Werke aus Taiwan ihren Weg in den deutschsprachigen Raum finden – und dass ich dazu auch noch einen Beitrag leisten darf!

    Du hast zuerst Ostasienwissenschaften und dann Dolmetschen und Übersetzen studiert, bevor du einige Jahre im Sprachendienst des Auswärtigen Amtes und als Leiter des Sprachendienstes am Deutschen Generalkonsulat Shanghai tätig warst. Seit 2017 widmest du dich hauptberuflich dem Übersetzen von Literatur.

    Wie kam es dazu? Was hat dich dazu bewogen, einen neuen Weg einzuschlagen und deine Kompetenzen anderweitig einzusetzen? Worin unterscheidet sich die Arbeit als Dolmetscher von der als Literaturübersetzer?

    Zum Literaturübersetzen bin ich eher zufällig gekommen. Ich habe in meiner Kindheit und Jugend sehr viel gelesen und mich auch schon früh für Fremdsprachen interessiert. Im Studium wurde uns jedoch explizit davon abgeraten, einem verklärten und allzu romantischen Bild vom Leben als Literaturübersetzer/in anzuhängen (heute kann ich auch ganz gut verstehen, warum).

    Aber 2006 veranstaltete die Tongji-Universität Shanghai zusammen mit dem Deutschen Generalkonsulat dort den ersten Übersetzerwettbewerb für Literatur und der 1. Preis war eine Studienreise nach Shanghai, wo ich schon immer mal hin wollte, also … Der Rest ist Geschichte.

    Ich habe danach zwar weiter auf meinen Abschluss als Konferenzdolmetscher hingearbeitet, das Literaturübersetzen aber ebenfalls aktiv weiterverfolgt und 2008 mein erstes Buch übersetzt.

    Während meiner Arbeit im Sprachendienst des Auswärtigen Amts durfte ich Jahre später dann wieder nach Shanghai. Die Entscheidung, das Amt nach sieben Jahren wieder zu verlassen, ist mir beileibe nicht leicht gefallen und sie hatte vor allem private Gründe. Der Hauptgrund ist jetzt im Kindergartenalter.

    Wenn wir den finanziellen Aspekt mal ausklammern – Dolmetschen wird besser bezahlt – dann liegt der größte Unterschied zwischen diesen beiden Arten der Sprachmittlung für mich vor allem in der unterschiedlichen Halbwertszeit des Produkts – extrem kurz bei der einen, im Idealfall deutlich länger bei der anderen.

    Natürlich ist auch der Translationsprozess selbst beim Dolmetschen deutlich kürzer als beim Übersetzen, was jedoch nicht zwingend weniger mentalen Aufwand bedeutet. Dolmetschen ist Sprint, Literaturübersetzen Marathon. Beides fordert viel Energie. Das Stresslevel ist beim Übersetzen deutlich niedriger, schließlich wird der – ebenfalls vorhandene – Leistungsdruck über einen längeren Zeitraum ausgewalzt und dadurch verdünnt.

    Einen weiteren Unterschied sehe ich im Maß an Kreativität, welches man einbringen kann bzw. muss, ohne dabei zu weit zu gehen. Für mein Empfinden macht diese kreative Spannung gleichzeitig den größten Reiz und die größte Schwierigkeit beim Literaturübersetzen aus.

    Unter deinen bisherigen Übersetzungen findet man eine bunte Mischung aus preisgekrönter Belletristik, zahlreichen Kurzgeschichten, Texten und Gedichten, zweisprachigen Bilderbücher bis hin zu den Manhua »Biaoren – Die Klingen der Wächter« und »Donghuachun Friseursalon«.

    Gehst du bei jeder Übersetzung nach einem ähnlichen Muster vor oder setzen verschiedene literarische Gattungen auch unterschiedliche Herangehensweisen voraus? 

    Grundsätzlich gehe ich mit derselben Einstellung ans Übersetzen heran. Translationswissenschaftlich betrachtet würde man meinen Ansatz wohl »funktional« nennen, das heißt, mein Ziel ist es, dass der übertragene Text nicht nach Übersetzung klingen soll, sondern sich so liest, als hätte der/die Autor/in ihn auf Deutsch verfasst.

    Natürlich darf man kulturelle Eigenheiten dabei nicht einfach plattbetonieren, aber als Mindestmaß gilt: Wenn sich das Original flüssig liest, sollte das auch bei der Übersetzung der Fall sein. Bei diesem Ansatz ist das Genre also nicht ausschlaggebend, aber natürlich schadet es nicht, wenn man einen persönlichen Bezug zu den Werken hat, die man übersetzt.

    Bleiben wir beim Beruf des freien Literaturübersetzers. Welcher Teil macht dir bei deiner Arbeit am meisten Spaß und was machst du weniger gerne? Worin liegen die sprachlichen Unterschiede zwischen Werken, die in der Neuzeit oder in lange vergangenen Epochen verfasst worden sind und wie wirken sich diese auf deine Arbeit aus?

    Wie läuft das denn eigentlich so ab, arbeitest du immer nur an einem Werk zur gleichen Zeit oder hast du mehrere Projekte nebeneinander?

    Beim Literaturübersetzen arbeitet man hauptsächlich allein und hat es in erster Linie mit dem Werk selbst zu tun, und zwar – je nach Umfang – womöglich über einen sehr langen Zeitraum. Daher versuche ich, mir meine »Begleitung« möglichst gut auszuwählen, damit sie mich nicht in den Wahnsinn treibt. Gelingt leider nicht immer.

    Spaß macht mir, gute Lösungen für interessante Übersetzungsprobleme zu finden. Und es sind durchaus nicht bloß die kniffligen Passagen eines Textes, welche viel Nachdenken erfordern. Wer sich selbst schon einmal im Übersetzen versucht hat, weiß, dass es nicht die eine »korrekte« Übersetzung gibt.

    Man kann selbst die simpelsten Floskeln und Standardsätze auf unterschiedlichste Weise »richtig« übertragen, z. B. je nachdem, welchen Ton man treffen möchte. Hier hat man als Übersetzer durchaus eine große Freiheit und diese zu nutzen, kann viel Freude bereiten.

    Allerdings wirkt sich dieser Aspekt auch negativ auf meine Arbeit aus – vor allem verlangsamt er sie. Quantitätsrekorde werde ich mit meinem Output jedenfalls so schnell keine brechen.

    Zwar gab es z. B. bei »Konfuzius im Herzen« (Droemer Knaur, 2009) und bei »Biaoren« viele Passagen aus lange zurückliegenden Epochen, aber in erster Linie bleibe ich doch lieber in der Gegenwart. Für mich ist die Sprachebene ausschlaggebend.

    Sie zu treffen, ist aufgrund unterschiedlicher Sprachkonventionen nicht immer einfach, aber da kommen wir wieder zurück zu meiner Grundhaltung beim Übersetzen: Der deutsche Text soll so funktionieren wie er es täte, wenn der/die Autor/in des Deutschen mächtig gewesen wäre. Das ist zumindest der Anspruch. Ein zutiefst subjektives Unterfangen, klar. Aber das liegt nunmal in der Natur der Sache.

    Noch ein wichtiger Punkt: Es gibt im Deutschen keine Möglichkeit, die enorme Verdichtung und häufige Mehrdeutigkeit klassischer chinesischer Texte verlustfrei wiederzugeben. Eine Übersetzung solcher Passagen geht immer mit einer Verengung des Interpretationshorizonts einher. Das translatorische Äquivalent von Schrödingers Katze, wenn man so will. Womit wir wieder bei meiner persönlichen Entdeckung der Langsamkeit wären …

    Ich übersetze meistens ein Werk nach dem anderen. Es kann vorkommen, dass ein Projekt unterbrochen wird, beispielsweise von einem mit höherer Dringlichkeit. Aber ich glaube, ich habe noch nie an zwei Übersetzungen gleichzeitig gearbeitet. Es ist also eher eine Frage der Reihenfolge, in welcher die Projekte abgearbeitet werden.

    © privat

    Kommen wir zu dem spannenden Thema Manhua. Ist es richtig, dass deine erste übersetzerische Zusammenarbeit mit Chinabooks die zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Chinesisch in Langzeichen) »Donghuachun Friseursalon« des Taiwaners Ruan Guang-min war? Inwieweit hat eine bilinguale Publikation Einfluss auf die Übersetzungsarbeit?

    Ja, dank »Donghuachun« bin ich mit Elisabeth Wolf von Chinabooks in Kontakt gekommen und arbeite seither gerne und gut mit ihr zusammen. Ruan Guang-min zu übersetzen war ein lange gehegter Wunsch von mir, da ich ihn sehr schätze und schon ein Fan von ihm war, bevor wir uns 2012 angefreundet haben. Dank Elisabeth ging dieser Wunsch in Erfüllung und ohne sie sähe die deutsche Manhua-Landschaft insgesamt sehr kläglich aus.

    Wenn ich richtig zähle, habe ich bisher an drei zweisprachigen Publikationen mitgewirkt. Und nach anfänglicher Befangenheit blende ich den Aspekt der Zweisprachigkeit inzwischen komplett aus.

    Wenn ich den Lesenden, die bei bilingualen Ausgaben wirklich beide Sprachen lesen, etwas mit auf den Weg geben möchte, dann ist es der Mut, sich für die eigene Interpretation eines Textes / Satzes / Ausdrucks / Worts / Zeichens zu entscheiden, beziehungsweise die Erkenntnis, dass es in den seltensten Fällen nur eine »korrekte« Übertragung gibt.

    Du sollst eine Freundschaft zu Ruan Guang-min pflegen. Wie war es für dich, das Werk eines Freundes zu übersetzen und somit einem breiteren Publikum näher bringen zu können? Was macht diese Geschichte so besonders für dich? 

    Wie gesagt war ich zuerst ein begeisterter Leser von A-Min (oder »Armin«, wie er bei seiner Lesereise 2018 getauft wurde). Später haben wir uns kennengelernt und sind seither recht eng befreundet. Wir sind in vielen Dingen auf einer Wellenlänge und das hilft natürlich beim Übersetzen.

    Guang-mins Werk ist von einem sehr feinen Gespür für das Unausgesprochene geprägt, für das Beziehungsgeflecht, welches sich unsichtbar hinter allen menschlichen Interaktionen spannt – und für die Löcher darin. Er hat die Gabe eines zugleich kindlich-unverfälschten und reflektiert-erwachsenen Blicks auf die Welt, dank der er überall die Möglichkeit einer Geschichte zu finden vermag.

    Der erste Band von »Donghuachun« stammt aus der Phase seines Schaffens, als er hauptberuflich noch Storyboards für Werbespots gezeichnet hat. (Die Bände 02 und 03 sind auf Chinesisch erst in jüngerer Zeit erschienen.) Mir gefiel er auf Anhieb, denn er hat alles, was ich mir von einem taiwanischen Comic wünschen könnte: Lokalkolorit, Tiefe, Humor und komplexe Figuren.

    Inzwischen arbeitet Guang-min hauptberuflich als Manhua-Autor, veröffentlicht bei einem großen Literaturverlag und hat mehrere renommierte Preise gewonnen. »Yong-jiu Grocery Store«, eine seiner neueren Serien über einen Tante-Emma-Laden in der taiwanischen Provinz, ist fürs Fernsehen adaptiert worden und der Nachbau dieses (halb-)fiktiven Krämerladens in Chiayi ist inzwischen eine kleine Touristenattraktion.

    »Donghuachun« war seine erste Veröffentlichung im Ausland, aber inzwischen ist Guang-min in mehrere Sprachen übersetzt und es wäre natürlich schön, wenn es nicht bei diesem einen Band auf Deutsch bleiben würde. Leider war ich in den letzten Jahren zu beschäftigt, um mich aktiv dafür einzusetzen, aber es steht auf meiner To-do-Liste.

    Du hast die Übersetzung von »Biaoren – Die Klingen der Wächter« von Elisabeth Wolf übernommen. Was hat dich zu dieser Entscheidung bewegt? Warst du schon im Voraus mit dem Titel bekannt? Was schätzt du an Xu Xianzhes Erstlingswerk und was macht dir an der Übersetzung dieses Manhua am meisten Spaß?

    Ich hatte den ersten Band von »Biaoren« vor ein paar Jahren bereits gesichtet und war ziemlich angetan, daher musste Elisabeth mich nicht lange bitten, als sie die Reihe abgeben musste. »Biaoren« hat so ziemlich alles, was man sich von einem Genre-Manhua wünschen könnte: Figuren mit Wiedererkennungswert, einen spannenden Plot und nicht zuletzt gut inszenierte Action.

    Es wird also sowohl fürs Publikum als auch für den Übersetzer nie langweilig, zumal die Reihe ja noch nicht abgeschlossen ist. Ich bin also genauso gespannt wie ihr, was Xu Xianzhe noch alles für uns bereithält!

    Wir selbst kamen bereits in den Genuss von Xu Xianzhes fantastischer Inszenierung, seines beispiellosen Erzählstranges sowie dessen zeichnerischer Umsetzung. Tatsächlich erscheint uns der Übergang zwischen dem sechsten zum siebten Band in der deutschsprachigen Übersetzung als sehr gelungen und bewusst fiel uns kein merklicher Unterschied auf.

    Wie viel Vorarbeit steckt hinter solch einer lückenlosen Fortsetzung und wie schwer ist es, sich in die Geschichtsperiode einzuarbeiten? Worin liegen aus deiner Sicht die Herausforderungen, ein angefangenes Projekt weiterzuführen? 

    Danke für das Lob. Mir ist am wichtigsten, dass eine Übersetzung nicht vom Werk selbst ablenkt, beispielsweise, indem sie sehr exotisierend daherkommt oder sich – wie hier – allzu stark von bestehenden Konventionen abhebt, also einer berechtigten Erwartungshaltung der Leser*innen zuwiderläuft.

    An meiner grundsätzlichen Herangehensweise beim Übersetzen ändert das nichts, es ist lediglich eine konsequente Erweiterung derselben. In diesem Fall bedeutet das in erster Linie, dass ich Entscheidungen hinsichtlich der Namensgebung und dem Umgang mit den oft nötigen historischen Erläuterungen übernommen habe. Dafür habe ich natürlich weite Teile von Elisabeths Übersetzung gelesen, mir die bereits erschienenen Bände aber auch im Original zu Gemüte geführt.

    Elisabeth und ich sind aus unterschiedlichen Richtungen zum Übersetzen gekommen, aber uns verbindet die Liebe zu Comics. Sie ist Verlegerin, Lektorin, Übersetzerin zugleich – aber vor allem ist sie eines: begeisterte Comic-Leserin. Das verbindet uns und macht die Zusammenarbeit leicht.

    Die Herausforderung bestand vor allem darin, mir in kurzer Zeit gut 1.000 Seiten »Was bisher geschah« einzuverleiben – zweisprachig – und dabei möglichst den Überblick zu wahren. Ich will es so sagen: Die Bände 01 bis 06 sehen bei mir mindestens genauso abgegriffen aus wie die, welche ich selbst übersetzt habe.

    Die Einarbeitung in die historische(n) Epoche(n) würde ich ebenfalls eher als fortlaufend bezeichnen, da die Erzählstränge zahlreich, die Rückblenden weitreichend und die chinesischen Geschichtsbücher, auf denen der Großteil der handelnden Personen und Ereignisse basiert, unerschöpflich sind.

    © privat

    Wenn wir das Thema einmal etwas allgemeiner betrachten, worauf muss man besonders bei der Übersetzung eines Manhua achten? Wo liegen hierbei die Schwierigkeiten? Was reizt dich an der Arbeit an chinesischsprachigen Comics?

    Ich denke, ein guter Comic kann aus jedem Kulturraum kommen und es gibt für mein Empfinden keine Manhua-spezifischen Besonderheiten, die hier zu erwähnen wären. Die Lautmalerei ist nicht immer einfach zu übertragen, da sie anderen Konventionen folgt und beispielsweise im chinesischen Original eine wesentlich höhere Toleranz für Wiederholungen vorausgesetzt wird. (Im Deutschen kann man da für mein Empfinden gerne etwas reduzieren, ohne Zweck und Wirkung zu mindern.)

    Aber ähnliche Probleme dürfte es bei anderen Sprachen auch geben. Speziell schwierig beim Chinesischen ist es, wenn klassische Texte zitiert werden. Denn für chinesischsprachige Leser sind sie, wenn auch nicht zwingend restlos verständlich, so doch zumindest lesbar und in ihrer Bedeutung erahnbar. Meist werden sie ohne inhaltliche Erläuterung verwendet und man bekommt höchstens eine Quellenangabe mitgeliefert.

    Für die/den Übersetzer/in bedeuten solche Zitate jedoch unter Umständen überproportional viel Arbeit. (Ich sage nur: Kapitel 64!) Aber auf der anderen Seite macht wohl genau das den Reiz aus: Die Besonderheiten der chinesischen Sprache verlangen dem/der Übersetzer/in immer wieder aufs Neue ein hohes Maß an Flexibilität und Kreativität ab. Es wird nie langweilig.

    Wie sieht es eigentlich bei dir aus, hast du einen persönlichen Bezug zu Comicreihen und selbst schon einige Manga oder Manhua gelesen? Falls ja, gibt es darunter Favoriten oder bestimmte Genre, für die du dich prinzipiell mehr begeistern kannst, und welche wären das? Für welche Manhua würdest du gerne im Westen eine größere Bühne schaffen und diese dafür auch ins Deutsche übersetzen?

    Ich gebe zu, dass ich in meiner Freizeit nicht so viel lese, wie ich sollte. (Andererseits – ist es überhaupt noch Freizeit, wenn man vor allem liest, weil man soll?) Daher hinke ich sehr weit hinterher, was Neuerscheinungen angeht. Meist ist es Elisabeth, die mich auf neue Manhua aufmerksam macht.

    Was meinen persönlichen Bezug zu Comics, Manga und Manhua angeht, ist im Laufe des Interviews schon deutlich geworden, dass ich seit meiner Kindheit eine Affinität zu diesem Medium habe. Dabei habe ich querfeldein alles gelesen, was ich in die Finger kriegen konnte, diversen Stadtbibliotheken sei Dank!

    Angefangen bei Katsuhiro Ōtomo, über Akira Toriyama –– R.I.P. (-_-) –– und Jirō Taniguchi – zu meinen frühen Favoriten gehören vor allem Klassiker aus Japan. Aber es gibt auch viele gute Manhua aus Taiwan und einer meiner Lieblingsautoren kommt sogar fast ganz ohne Worte aus: Li Lung-chieh.

    Leider gibt es im deutschsprachigen Raum (noch) nichts von ihm zu kaufen, glaube ich. »Unemployed Killers Support Group« von R1O hat mich jüngst ebenfalls ziemlich begeistert und ich muss mal mit Elisabeth darüber reden …

    Mir gefallen schräge Settings, wie das einer Selbsthilfegruppe für Auftragskiller, aber grundsätzlich bin ich für die meisten Genres zu interessieren, solange ein Werk mehr bietet als bloße Niedlichkeit und/oder Fanservice. Wenn ich allerdings ein besonderes Lieblingsgenre nennen müsste, wäre es wohl »Slice of Life«. Taniguchi ist schuld.

    Die chinesische Sprache ist durchaus sehr komplex und aufgrund der tausenden Schriftzeichen ein fortlaufender Lernprozess. Was hat dich dazu bewegt, die Sprache zu lernen, und hast du vielleicht sogar einen persönlichen Bezug zu ihr? Wie lange dauerte es von deinem Studium bis zur allerersten Literaturübersetzung?

    Diese Frage ausführlich zu beantworten würde den Rahmen dieses ohnehin schon recht umfangreichen Interviews sprengen. Daher die Kurzversion: Fernweh, Zufall, Liebe und: Ziemlich genau sechs Jahre bzw. acht Jahre zur ersten Veröffentlichung.

    © privat

    Seit einigen Jahren lebst du schon in deiner Wahlheimat Taiwan. Was hat dich zu dieser Entscheidung bewogen? In Chen Chin-Yuans Bilderbuch »Kleiner Spaziergang« erzählst du sehr warmherzig von der Kulisse, die man dort gerade in den ländlichen Gebieten auch heute noch antrifft. Welche Dinge schätzt du selber ganz besonders an diesem wunderbaren Land und seiner Kultur? Was wiederum vermisst du?

    Seit meinem ersten Taiwan-Aufenthalt über die Jahrtausendwende hinweg hat es mich immer wieder hierhin gezogen. Rein rational kann ich es nicht erklären. Die Menschen, die Landschaft, die Kultur – das alles ist über die Jahre zu einem Sehnsuchtsort geworden, der meine Studienwahl beeinflusst und meine Semesterferien geprägt hat.

    Auch später, während ich mich biografisch und beruflich immer weiter von meiner deutschen Heimat entfernt und schließlich sogar einige Jahre in China zugebracht habe, ließ der Wunsch, auf diese Insel zurückzukehren, nie nach. Im Gegenteil.

    So etwas lässt sich auf Dauer schwer ignorieren. Dabei kann ich es nicht explizit an einigen bestimmten Orten, Menschen oder Dingen festmachen. Vielmehr ist die Mischung all der unterschiedlichen Strömungen und Einflüsse, die Taiwan und seine Bewohner in meinen Augen so liebenswert macht. Sie legen trotz, oder vielleicht gerade wegen vieler Widrigkeiten, die sie im Laufe der Geschichte ertragen mussten, eine grundsätzlich optimistische Lebenshaltung an den Tag.

    Blickt man auf die taiwanische Geschichte zurück, kann man verstehen, warum. Schließlich hat Taiwan es in seiner neueren Geschichte sehr weit gebracht, von einer verschlafenen Agrarinsel hin zum »Hidden Champion« des Computerzeitalters.

    Wichtiger aber noch sind in meinen Augen die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen, welche Taiwan durchgemacht hat und welche der Großteil seiner Bewohner selbst live miterlebt hat: Der gewaltlose Übergang von einer Diktatur hin zu einer freiheitlichen Demokratie. Ich liebe den Mix aus Traditionsbewahrung und Zukunftsglaube, der das in den Insulanern hervorgebracht hat.

    Was ich vermisse, wäre wohl mehr Umwelt- und Klimabewusstsein. Aber was will man erwarten von a) einer Inselnation, die b) politisch isoliert ist? Jeglicher Fortschritt beim Umwelt- und Klimaschutz hierzulande – und den gibt es, wenn auch sehr langsam – geschieht rein freiwillig. Schließlich ist Taiwan bei allen internationalen Abkommen außen vor.

    Hast du vielleicht zum Abschluss noch einen Ratschlag für all jene, die vielleicht schon Chinesisch lernen oder gerne damit beginnen würden? Möchtest du unseren Leserinnen und Lesern noch etwas mit auf den Weg geben?

    Macht Sprachurlaub in Taiwan! Ich glaube, eine angenehmere Art, Chinesisch zu lernen, gibt es nicht. Und lasst euch nicht vom umständlichen Schriftsystem frustrieren. Wenn ihr beim Chinesischlernen wirklich in die Tiefe gehen wollt, sind die Schriftzeichen das kleinste Problem, glaubt mir.

    Auch bald 20 Jahre nach meiner ersten Literaturübersetzung bin ich noch immer nicht auf festen Grund gestoßen. Die Fülle dieser Sprache ist unendlich – und hört nie auf, zu faszinieren.

    John Lennon hätte es vielleicht so gesagt: Life is what happens to you while you’re busy learning Chinese. Embrace it.

    Vielen Dank für das interessante Gespräch!

    (Danke euch und tut mir leid, dass es so lange gedauert hat!)

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